Puplikationen

Mit der Resonanz des Körpers arbeiten

Die (Wieder-)Entdeckung von Focusing


von Sylvia Glatzer | B.A. Sozialökonomin | Heilpraktikerin

Focusing ist eine von Gene Gendlin entwickelte Methode, sich mit Achtsamkeit und Wertschätzung dem inneren, körperlichen Erleben zuzuwenden und dessen Bedeutungsreichtum zu öffnen.

 

Focusing wurde in den 70er Jahren von Eugene Gendlin,einem langjährigen Mitarbeiter Carl Rogers’ (Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie), entwickelt. Hintergrund war eine Untersuchung zum Therapieerfolg. Erfolgreiche Klienten verlangsamten während einer Therapiestunde irgendwann ihr Sprechtempo,drückten sich unklar aus; sie schienen nach Orten zu suchen und fühlten dabei in ihren Körper hinein, um eine schwer zu beschreibende Körperempfindung aus zu drücken, die mit ihrem Problem zusammenhing.

 

Der Feltsense

 

Der »Felt Sense« Dieses »Etwas« – eine Körperempfindung (Resonanz) – wird im Focusing als »Felt Sense« bezeichnet und aktiv in die Arbeit mit einbezogen.

Der Felt Sense ist keine Emotion,sondern eine körperlich gespürte Bedeutung (Gendlin 2002: 30), die jeden Momentganz spezifisch neu entsteht.

Er liegt»unter« den Emotionen, die uns vertraut sind, wie Ärger, Freude, Trauer.

Der Felt Sense wird als etwas von »innen« Kommendes erlebt, das wahrhaftiger, präziser und klarer»ich selbst« ist als diese Emotionen. Ein Beispiel: Ich bin traurig, weil … Im Focusing lassen wir Raum entstehen, indem wir hinspüren, wie dieses Traurig sein sich genau in uns zeigt und individuell erlebt wird. 

 

Dieses Erleben besteht nicht nur aus deutlich wahrnehmbaren Inhalten, wie Gedanken, Gefühlen, körperlichen Empfindungen und inneren Bildern, die wir »Erlebnismodalitäten « nennen, sondern vor allem aus vagen Stimmungen.

Gendlin entdeckte also eine körperliche Wahrnehmung, die genutzt werden kann für die unbewussten Strömungen und Antworten in uns selbst. Diese Wahrnehmung war immer vorhanden, sie wurde nur verschüttet. Viele Menschen »fokussieren « automatisch, daher ist Focusing eher eine (Wieder-)Entdeckung als etwas, das Gendlin geschaffen hätte.

 

Um dieses innere Wissen anzuzapfen und es lehrbar zu machen, entwickelte Gendlin die »sechs Schritte« oder auch sechs Bewegungen (Gendlin 2002: 72).

Aber das ist nicht Focusing, obwohl das oft behauptet wird.

Focusing ist »die Zeit mit etwas verbringen, das noch unklar ist«.

 

Auf das vage Gespürte fokussieren 

 

Focusing bezeichnet eine bestimmte Art und Weise, mit dem eigenen, von innen gefühlten Körper in Beziehung zu treten. Dabei achtsam, offen und neugierig in mir die Resonanz zu bemerken und auf sie zu »fokussieren«, um dieses vage, unklare, körperlich Gespürte besser zu wahrzunehmen. Dabeizu verweilen und damit eine »Beziehung« aufzubauen. Den inneren Bewegungen zu lauschen. Es ist ein Prozess, der verborgenes Wissen in Form von Symbolen (Erlebnismodalitäten) bewusst macht und so einer Lösung näher bringt. Da zu jedem Thema ein felt sense entstehen kann, sind der Anwendung keine Grenzen gesetzt.

 

Logische innere Verknüpfung

 

Focusing hat sich überall bewährt, wo es darum geht, über das logische Verknüpfen bekannter Sachverhalte hinaus neue, frische Schritte kommen zu lassen.

Dieser leicht zu erlernende Zugang zu sich selbst kann eine Psychotherapie oder Körperarbeit unterstützen, er kann in Beratung, Supervision und Coaching eingesetzt werden sowie als Lösungshilfe bei jeder Art von persönlichen, beziehungsbegründeten oder organisatorischen Problemen. 

 

In meiner Arbeit als Körperpsychotherapeutin, im Shiatsu und emotionalen Coaching

sowie als Dozentin und Trainerin ist Focusing für mich eine gute Art, Ressourcen im Körper erfahrbar zu machen und zu verankern, neue Blickwinkel und Kommunikation in Beziehungen zu finden sowie Veränderungsprozesse ganzheitlich zu begleiten.

 

 

Literatur:

Eugene T. Gendlin: Focusing – Selbsthilfe bei

der Lösung persönlicher Probleme. Rowohlt Taschen -

buch verlag, Reinbek bei Hamburg 2002

 

Veröffentlicht:

www.bodyworker-portraits.de | Januar-Februar 1-2/2015 · www.connection.de